Die neue Aufgabe

Lange hatte die Schamanin sich geweigert, ihren stillen Ort zu verlassen.
Sie hatte Ruhe, viel Ruhe, gebraucht.

Musste sich erholen von ihrem immer wieder grossen Einsatz für die Heilung von Missständen.
Dieses Ordnen und ihr dafür erforderliche klare Geist hatten ihre Energie aufgebraucht.

Mit dem Erwachen der Naturkräfte erwachten auch ihre Lebenskräfte wieder. Sie spüre in sich einen Drang, dem aktuellen Geschehen wieder auf den Grund zu gehen.

Also stand sie auf, putzte gründlich ihr Haus, trennte sich von allem Unnötigen und schaffte Raum für Neues.
Sie entledigte sich ihrer dunklen Winterkleidung und umhüllte ihren Körper mit lichten Farben und luftigen Stoffen.

Auch den langen Winterzopf schnitt sie ab.
Später wollte sie ihn dem Feuer übergeben.
Dieser alte Zopf musste transformiert werden.
In neue Kraft – in Kraft für Neues.
Sie öffnete die Tür und trat hinaus ins Freie.
Wie wohl diese frische Luft tat.
Sie beseelte ihren Atem.
Streichelte ihre Zellen.
Sie griff nach ihrer Trommel, klemmte sie unter den Arm und machte sich auf den Weg.
Haiko, ihr Krafthund und treuer Begleiter, erwartete sie schon. Gemeinsam liefen sie die Anhöhe hinauf zum Aussichtsfelsen.

Die Schritte gelangen ihr ohne jede Anstrengung.
Das war neu.
Der Atem floss und das Herz klopfte unaufgeregt.
Auch das war neu.
Und ihre Augen schmerzten nicht mehr beim Lichteinfall.
Das war eine regelrechte Erlösung.
Ach, diese Erleichterung.

Fast schon hatte sie den Glauben verloren, dass es doch noch mal so kommen könnte.
Beschwingt ging sie weiter, freute sich auf den Blick vom Felsvorsprung und auf die Aufgabe, die sie dort erwartete.
Als sie mit Haiko oben ankam, spürte sie sofort, dass sie nicht allein war.

Die Luft war voller Energie.

Die Schamanin wusste, dass ihre Verbündeten anwesend waren.
Dieses Wissen gab ihr Halt und Zuversicht, dem Bevorstehenden gewachsen zu sein.
Sie breitete ihre Decke aus.
Setzte sich mit ihrer Trommel nieder und begann zu trommeln.
Haiko drehte um sie herum seine Runden.

Eine überirdische Konzentrationskraft erfasste sie.

Alle ihre Sinne schärften sich aus ihrem Inneren heraus.
Und sie spürte in sich eine noch nie dagewesene Daseinskraft.
Der Horizont öffnete sich.
Sie erblickte ein unermesslich strahlendes, unglaublich bewegliches und gleichzeitig fragiles Wesen. Und sie wusste es sofort:

Dies war der Respekt.
Respekt war ein Wesen.
Ein lebendiges Wesen.

Die Schamanin fragte:
«Was brauchst du von mir?»
«Bring mich zurück zu den Menschen. Lehre sie, wer ich bin. Verbreite Wissen über mich. Auch ich bin eine universelle Kraft, die aus der Quelle der Liebe stammt. So will ich gesehen werden.»

Die Schamanin nahm die Botschaft in sich auf.
Bedankte sich bei diesem grossartigen Wesen.
Beendete ihr Trommeln und machte sich mit Haiko auf den Rückweg.
Ihr Haus erwartete sie.
Strahlend.
Sie trat ein.

Im Innern erwartete sie ein völlig verwandelter, riesiger, lichtdurchfluteter Raum. Die Schamanin konnte ihr Glück kaum fassen.

Hier konnte sie sich für ihr Wirken mit dem Respekt-Wesen einrichten.
Alles hatte seine Ordnung gefunden.
Sie war sehr zufrieden.

Draussen brannte das Feuer zu Tagundnachtgleiche.
Der alte Zopf loderte lichterloh.

Respekt erfüllte den Äther.

Die Schamanin hören

Liebe Frau, 

Schamanismus ist, in Verbundenheit mit allem die ganz eigene Beziehung zum grossen Ganzen zu entwickeln.
Den Raum dafür findest du bei mir.

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